Klassische Panoramen und Bilder aus der Cottbuser Stadtgeschichte

Notgeld der Stadt Cottbus

Amtliche Verkehrsausgaben 1916 bis 1922

Der erste Weltkrieg tobte in Europa und kostete dem Kaiserreich nicht nur Unsummen von Geld. Als relativ rohstoffarmes Land fehlte es auch an Metallen aller Art. Die Deutschen waren aufgerufen, unter der Kampange "Gold gab ich für Eisen", persönliche Goldmünzen zu spenden sowie diverse Alltagsgegenstände aus Buntmetall, wie Pfannen, Bierkrüge aus Metall u.a. der Kriegswirtschaft zu Verfügung zu stellen. Selbst Kirchenglocken und Kupfer- und Nickelmünzen wurden eingesammelt. So war schon bei Kriegsbeginn Kleingeldmünzen Mangelware. Die letzten Münzen wurden in den Städten gehortet, um Zahlungsverpflichtungen bediehnen zu können. Um die lokale Wirtschaft irgendwie am Laufen zu halten, gaben Orte hastig selbstbedruckte Scheine aus. Dieses Kriegsnotgeld war dann für eine bestimmte Zeit in der jeweiligen Gemeinde und ihrer Umgebung gültig

Notgeld Cottbus, 5 Pfennig

Notgeld Cottbus, 20 Pfennig

Notgeld Cottbus, 50 Pfennig

Während die Notgeldausgaben in Cottbus sehr nüchtern ausfiehlen, nutzten andere Städte die kleinen Scheine um Stadt- und Witschaftswerbung zu betreiben. Ein Beispiel dafür ist Forst/Lausitz mit seiner Textilindustrie und dem Rosengarten. Adere Städte legten regelrechte Serien auf und stellten regionale Trachten oder sehnswerte Architektur vor. Wer es sich leisten konnte sammelte die bunten Geldersatz-Scheine. Deshalb sind noch heute unzählig druckfrische Scheine zu haben.

Notgeld Cottbus, 5 Pfennig

Notgeld Cottbus, 5 Mark

Notgeld Cottbus, 20 Mark

Notgeld Cottbus, 50 Mark

Notgeld Cottbus, 1 Pfennig

Notgeld Cottbus, 5 Pfennig

Notgeld Cottbus, 2 Mark


Inflation ab Juli 1923

Christian Friedrich schrieb in der 1994 aufgelegten 344-seitigen "Geschichte der Stadt Cottbus" auf den Seiten136/137 über die schwere Inflations-Zeit:

Keineswegs ruhige Jahre bestimmten nach dem Ersten Weltkrieg das Leben in unserer Stadt. So gab es u.a. in den jahren 1918 bis 1921 wegen Kohlemangels wiederholt Gassperrstunden. Im November 1919 stellte die Eisenbahn den Personenverkehr für zehn Tage ein. Die ersten Jahre nach Kriegsende brachten bitterste Not, Arbeitslosigkeit und schließlich die Inflation. Die Weimarer Republik trat mit einer schweren Schuldenlast das Erbe des Kaiserreiches an. Die fortschreitende Geldentwertung, die schon 1914 eingesetzt hatte, war eine Folge des Ersten Weltkrieges. Die Lebenslage der Volkes hatte sich zunehmend verschlechtert. Der unaufhörliche Fall der Reallöhne bedeutete für viele Cottbuser Arbeiter und auch für Bürger im Angestelltenverhaltnis ein Elendsdasein. Die Inflation ruinierte aber auch Einzelhändler, Handwerker, Vertreter des Mittelstandes und der Intelligenz.

Notgeld Cottbus, 2 Mark

Die Geldentwertung nahm geradezu unvorstellbare Ausmaße an. Am 21. Mai 1925 stand der Kurs bei 8,40 Goldmark gleich Hunderttausend Papiermark. Schon ab 11. August näherten sich die Preise für Grundnahrungsmittel von Tag zu Tag rascher der Millionengrenze. Es herrschte akuter Geldmangel. Das Papiergeld wurde knapp. Deshalb sah sich der Magistrat der Stadt Cottbus veranlaßt, im August 1925 Groß-Notgeld herauszugeben. Es wurden 100.000-, 500.000- und 1.000.000-Mark-Scheine im Gesamtwert von 100 Milliarden Mark gedruckt und in Umlauf gesetzt. Die Scheine besaßen als Zahlungsmittel ihre Gültigkeit bis zum 15. Oktober 1923." Die Originalgröße der Cottbuser Notgeldscheine betrug ca. 14,5 mal 8,2 Zentimeter. Sie waren vom Oberbürgermeister Hugo Dreifert und dem Bürgermeister Dr. Adolf Varnhagen unterzeichnet. Alle Notgeldausgaben von 1917 bis November 1923 wurden bei den Cottbuser Firmen Enke und Heine gedruckt. Etwa 140 verschiedene Ausgaben kamen in Umlauf. Um dem, in der Stadt herrschenden Kleingelclmangel zu begegnen, ließ die Stadt im März 1921 achteckige eiserne Fünf- und Zehn-Pfennigstücke in den Zahlungsverkehr geben. Gegen Ende des Jahres zog man diese Münzen wieder ein. Infolge der steigenden Teuerungen hatten sie ihre Funktion als Scheidemünzen verloren.

Notgeld Cottbus

Ab Juli 1923 veränderte sich der Brotpreis ständig. Am 23. juli 1923 zahlte der Cottbuser für ein Brot mit einem Gewicht von 1.900 Gramm 9.000,00 Mark. Das gleiche Brot kostete am 13. August 28.400,00 Mark, am 3. September 285.000,00 Mark, 14 Tage später 1.850.000,00 Mark und am 05. Okto- ber 15.250.000,00 Mark. Eine Straßenbahnfahrt kostete am 23. Mai 1919 noch 30 Pfennige, im Juni 1921 zahlte man dafür 2,50 Mark. Das städtische Unternehmen erhöhte Mitte Dezember 1922 den Fahrpreis für eine Fahrt auf 35,00 Mark. Ende Januar 1923 wurde der Fahrpreis auf 80,00 Mark und ab Februar auf 100,00 Mark erhöht. Infolge der immensen Belastungen durch die Inflation und den damit verbundenen Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit des städtischen Unternehmens stellte der Magistrat in seiner ersten Sitzung des jahres 1923 den Antrag auf Stillegung der Straßenbahn. Verkürzungen und Einstellungen einzelner Linien waren unumgänglich. Die Stadtverordnetensitzung am 8. Februar 1923 befaßte sich nochmals eingehend mit der Situation der Cottbuser Straßenbahn und beschloß, den Straßenbahnbetrieb nach 20jährigem Bestehen bis auf Widerruf ab 24. Februar 1923 einzustellen. In der Stadtverordnetensitzung vom 15. Februar wurde sogar über einen Antrag zum Verkauf der Straßenbahn (einschließlich aller Fahrzeuge und Anlagen) für 500 Millionen Mark diskutiert. Der Antrag wurde abgelehnt und der Straßenbahnbetrieb konnte am 1. April 1924 etappenweise wieder aufgenommen werden. Auch die Fahrpreise der Eisenbahn erreichten teilweise eine utopische Preissteigerung. So kostete beispielsweise eine Fahrt von Cottbus nach Kolkwitz im August 1923 in der 3. Klasse 30.000,00 Mark.

Notgeld Cottbus

Im Gegensatz zu den Preiserhöhungen stand die Entlohnung der Arbeiter und der im Handwerk Tätigen. Der Verdienst eines Arbeiters erfuhr nicht die- se rasante Steigerung. Der Wochenlohn eines Buch- druckers betrug im Monat August 1923 z.B. 52.723.000,00 Mark. Im September des gleichen jahres betrug der Spitzenlohn eines Buchdruckers 57.000.000,00 Mark. Der Mangel an Lebensmitteln und anderen Waren des täglichen Bedarfs führte zu Unruhen in der Stadt. Die zum Teil willkürlich festgesetzten Preiserhöhungen führten zu hektischen Reaktionen der Bevölkerung: Es wurde gekauft, was zu kaufen war. Die Geschäftsleute hatten Angst vor Plünderungen; am 9. November 1923 kam es auch in Cottbus dazu, daß Läden geplündert wurden. Angesichts der Ökonomischen und sozialen Verhältnisse dieser Zeit, hervorgerufen durch den herrschenden Geldmangel und die Steigerung der Lebensmittelpreise, kam es auch in unserer Stadt zu Streikaktionen. Vom 29. Mai bis zum 4. juni 1923 traten mehr als 350 Cottbuser Tischler wegen Lohnforderungen in den Ausstand. Im selben Jahr befanden sich ebenfalls wegen Lohnforderungen 1.500 Bauarbeiter im Aus- stand. Auch bei der Firma Otto Enke (Herstellung und Druck der "Lausitzer Landeszeitung" und Geschäftsbücher) traten Buchdrucker und Setzer wegen Nichtzahlung des festgesetzten Lohnes in den Streik. Dennoch reichten die in ganz Deutschland initiierten Streikbewegungen aus, um das bis dahin regierende Kabinett Cuno am 12. August 1923 zum Rücktritt zu bewegeni Neben der Erhöhung der Lebenshaltungskosten stellte auch die ständig steigende Arbeitslosigkeit ein Problem dar, mit dem der Magistrat der Stadt, aber auch die Industrie- und Handwerksbetriebe, zu kämpfen hatten. Im April 1921 verzeichneten die Stadt und der Landkreis Cottbus insgesamt 1.466 Arbeitslose. Die Lebenslage eines Teils der Bevölkerung unserer Stadt war sehr angespannt. Die Masse der Erwerbslosen lebte an der untersten Grenze des Existenzminimums. Zur Unterstützung der Arbeitslosen und der Armen mußte im jahre 1927 immerhin eine Summe von 1.268.600,00 Reichsmark aufgewandt werden, die 1932 auf 1.779.100,00 Reichsmark anstieg. Das bedeutete für die städtischen Finanzen eine katastrophale Belastung, zumal die aufgebrachte Summe des Jahres 1932 mehr als die Hälfte aller Steuereinnahmen ausmachte. 1927 gab es 1.806, 1932 4.453 Fürsorgeempfänger in der Stadt. Wirtschaftskrise und Arbeitslosigkeiten wirkten sich auch auf die Zahl der Eheschließungen (1928 = 523; 1932 = 374) und die Geburtenzahlen (1928 = 10,02 auf 1.000 Einwohner, 1931 = 7,77) aus. 1927 wurden nur 14 Tode infolge Selbstmords und kein Mord oder Totschlag registriert, diese Zahlen stiegen 1932 auf 32 bzw. vier an.

Notgeld Cottbus



Ergänzende Literatur:

Die Geschichte der Stadt Cottbus, Autorenkollektiv, Einband: Hardcover, Seiten 136/137, Erscheinungsjahr: 1994



I zurück zur Archivseite Cottbus I Hauptseite I